Interview mit Sally Fuls, KPM, April 2023
Porzellan, Politik und Poesie in kunstvoller Liaison: KPM+ Rona Kobel interpretiert eine Bauhaus-Ikone neu und zeigt, dass die schöne Form auch zum formvollendeten Manifest werden kann.
Rona, wie haben Du und die KPM Berlin zueinander gefunden?
Ich war Meisterschülerin an der Universität der Künste und habe im letzten Jahr meines Studiums angefangen mit Porzellan zu arbeiten. Das Problem war aber, dass die UdK keine eigenen Porzellan-Brennöfen hat, also kam mir die Idee einfach bei den Nachbarn anzufragen, denn die KPM liegt in unmittelbarer Nähe. Das war vor fast zehn Jahren.
Das heißt Du hast Deine Arbeiten aus der Uni einfach über die Straßen getragen?
Genau, das war eine ziemlich riskante Angelegenheit, besonders an holprigen Stellen. Ab und zu ging dann auch mal ein Ärmchen oder ähnliches zu Bruch.
Was reizt Dich so an dem Thema Porzellan, woher kommt deine Begeisterung dafür?
Porzellan ist ein edles Material. Mit einem solchen Werkstoff dann aber unangenehme Themen umzusetzen, das schafft eine Irritation. Schreckensmomente und -geschichten in etwas so Schönem, so Kostbaren zu verpacken, schafft Aufmerksamkeit für wichtige Themen. Dazu kommt noch die Dreidimensionalität, die den Betrachter stärker dazu zwingt, sich mit dem Objekt und so dem Thema auseinanderzusetzen. Zumal wir alle durch die Medien ja total überflutet werden. Durch das Porzellan fällt es uns leichter wieder hinzusehen.
Nun hast Du die HALLE-Vase für Dich entdeckt, warum dieses Modell?
Ursprünglich bin ich 2019 im Rahmen des Bauhaus-Jubiläums auf die Vase und auf ihre Designerin Marguerite Friedlaender gestoßen. Zum einen, weil die Form wunderschön und zeitlos ist, zum anderen ist ihre Geschichte unheimlich interessant. Friedlaender musste im aufkeimenden Nationalsozialismus in die USA emigrieren, und ihr Name wurde aus den Produktionsblättern der Vase gestrichen, das Produkt also vorerst namenlos weiterverkauft und seine Designerin ausgelöscht. Ich habe dann im Archiv alte Briefe und Schriftstücke gesichtet, auf der Suche nach ihrer Signatur mit vollem Namen, was wirklich schwer war, letztendlich habe ich sie im Archiv der Burg Giebichenstein in Halle gefunden.
Du hast die HALLE-Vasen nun in bunte Farben getaucht und Wortreliefs über ihren Korpus wachsen lassen, wie ging der Gestaltungsprozess vonstatten?
Die Idee zum Relief kam als erstes, ich habe mir dann Modelle der Vasen aus der Werkstatt ausgeliehen und einiges ausprobiert. Als die Entwürfe dann soweit gediehen waren, habe ich in die Malerei angefangen viel herumzuprobieren. Die kleineren „Freedoom“-Vasen sind durch die Pastellfarben und die große Schleife fröhlicher und verspielter, die größeren „CouRAGE“-Modelle sind edler und ernster. Das Relief wirft schöne Schatten, die vom Biskuit und der Lüsterfarbe aufgefangen werden.
Du erwähnst gerade die Namen, was steckt hinter „Freedoom“ und „CouRAGE“. Was bedeutet Freiheit für Dich, was Mut?
Zunächst gibt es auch hier natürlich einen direkten Bezug zu Marguerite Friedlaender, da ihrer Freiheit und der Freiheit des Bauhaus durch den Nationalsozialismus ein jähes Ende gesetzt wurde. Heute leben wir in einer freien, demokratischen Gesellschaft mit allen Privilegien der freien Entfaltung der Persönlichkeit, freier Meinungsäußerung usw.. Oft sind wir uns aber leider viel zu wenig bewusst, wie kostbar diese freiheitlichen Grundrechte sind, wie hart sie erkämpft wurde und wie selten sie global gesehen sind. Bei allem Ernst spielen auch Humor und Ironie eine wichtige Rolle und ich arbeite gerne mit diesen Gegensätzen. So entdeckt man das doppelte o, den -doom im Schriftzug erst auf den zweiten Blick und die farbenfrohen Vasen lächeln den Betrachter verschmitzt an, während sie vor der Zerbrechlichkeit der Freiheit warnen.
Und CouRAGE…
….steht für die nötige Wut im Mut zur Veränderung. RAGE ist dicker und größer reliefiert um den zweiten Wortteil besonders zu betonen.
Die Vasen changieren zwischen Design und Kunst, was vereint beide Disziplinen würdest Du sagen?
Kunst und Design sind beide schöpferisch und kreativ, sie bringen etwas Neues in die Welt und fungieren als Spiegel ihrer jeweiligen Zeit. Während das Design einem bestimmten Zweck oder Nutzen folgt, ist die Kunst frei – das größte und manchmal auch das schwierigste Privileg meines Berufs als Künstlerin. Wenn Kunst und Design eine Symbiose eingehen, können sie sich gegenseitig neue Räume eröffnen – so habe ich die Arbeit mit den wunderbaren, zeitlosen Vasen von Marguerite Friedlaender empfunden.
„Freedoom“-Vasen in candy colours
Bei der Lüsterfarben-Vase malt Kobel jeden Tropfen individuell von Hand, jedes Objekt hat also einen anderen Verlauf und ist ein Unikat.
Die Signatur der Vasen-Designerin Marguerite Friedlaender wurde im Nationalsozialismus aus den Produktionsblättern gestrichen. Die Künstlerin Rona Kobel setzte Punkte unter die Unterschrift, ein altes Korrekturzeichen, um das Durchgestrichene wieder gültig zu machen.
Porträt: Trevor Good
Fotos: KPM/Ragnar Schmuck