PORZELLAN, POLITIK UND VIEL POESIE.

Interview mit Sharon Berkal, Haus Glanz, April 2023

 

RONA KOBEL ist bildende Künstlerin und lebt und arbeitet in Berlin. Ihre glänzenden, mit politischer Schlagkraft versehenen Objekte stellt sie bereits seit vielen Jahren aus KPM-Porzellan her. Ein gemeinsames Projekt ist nun die natürliche und perfekte Schlussfolgerung.

 

SHARON BERKAL: Die Geschichte der HALLE-Vase ist auch die Geschichte Deutschlands. Sie ist quasi ein Politikum. Wie hast Du versucht, diesem Thema künstlerisch Herr zu werden?

RONA KOBEL: Ich habe mich in zwei Schritten dem Thema genähert. Zum einen direkt über Marguerite Friedländer: Ihr Name wurde in den Produktionsblättern der KPM während des Nationalsozialismus weggestrichen. Es blieb nur noch ein schwarzer Balken übrig. Ich habe ihre Signatur wieder zurück auf die Vasen geholt! Zum anderen beziehe ich mich mit den Arbeiten auf auf die politische Situation von heute. In Form von den Worten, die ich in die Vasen eingearbeitet habe. Da haben wir zum Beispiel das Relief „Freedoom“, das thematisieren soll, dass die Freiheit auch heute immer noch ein sehr zerbrechliches Gut ist. Ich finde, uns ist viel zu wenig bewusst, dass es so viele Länder gibt, in denen die Menschen überhaupt nicht so frei sind, wie wir. Und dass auch hier die Freiheit eines unserer höchsten Güter ist und wir sie immer aus Neue bewahren und schützen müssen. Bei der großen Vase betone ich mit dem Relief „CouRAGE“ die Rage, die Wut. Es soll zeigen, dass, wenn man etwas verändern möchte, es auch eine gewisse Wut als Antrieb, als positive Kraft braucht. Das war damals und heute so. Das ist Geschichte und Gegenwart.

SB: Was war Deine gestalterische Herausforderung an diesem Projekt?

RK: Ich bin Bildhauerin und wusste sofort, dass ich die Form dreidimensional verändern möchte. Ich hatte mir am Anfang ein Modell der Vase ausgeliehen und erst einmal oberflächlich mit verschiedenen Typografien experimentiert. Es war mir sehr schnell klar, dass ich mich mit dem Thema „Freiheit“ beschäftigen möchte. Es kam mir nicht nur mit Bezug zu Marguerite Friedlaender in den Sinn, sondern auch weil das freiheitliche Denken des Bauhauses mit dem Nationalsozialismus sein Ende fand. Als dann jede Vase meiner bildnerischen Vorstellung entsprach, haben wir angefangen, komplett neue Formen zu bauen, so dass die Worte eben nicht nur ein aufgesetztes Dekor werden, sondern ein Teil der Vase sind. Wenn Sie jetzt in die Vase greifen, können Sie das Relief der Schrift als Negativ spüren und natürlich auch sehen.

SB: Warum arbeitest Du so gerne mit Porzellan?

RK: An Porzellan mag ich am meisten, dass es edel aussieht und so unschuldig weiß glänzt. Ich finde es total spannend, mit diesem schönen Material andere, eher unschöne und schreckliche Inhalte zu kommunizieren. Man wird erst von der Schönheit des Objektes angezogen, beginnt es zu betrachten, während sich seine Botschaft und Geschichte voll entfaltet und zum Vorschein kommt. Man schluckt die schwere Kost, ohne es zu merken. Diese Irritation, die dabei immer hervorgerufen wird, finde ich total spannend.

 

1931 entwarf MARGUERITE FRIEDLAENDER die HALLE-Vase, in Proportionen, Linienführung und schlichtem Schwung eine Ikone der Bauhaus-Tradition und heute ein internationales Aushängeschild für Design made in Germany. Doch die gebührende Anerkennung sollte der jüdischen Designerin mit dem aufkommenden Nationalsozialismus zunächst verwehrt werden: FRIEDLAENDER wurde als Gestalterin des Produktes aus den Unterlagen gestrichen, ihr Entwurf vorläufig namenlos und erst viele Jahre später wieder mit großem Stolz unter ihrem Namen durch die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin weiterverkauft.

Über 90 Jahre später schuf nun RONA KOBEL daraus Objekte mit politischer Schlagkraft. Mit pudrigen Pastelltönen, neobarocken Schleifen oder metallischer Lüsterfarbe regt die Berliner Künstlerin an, die Welt zu hinterfragen. Ihr subtilster Clou des Remakes findet sich aber auf den Böden beziehungsweise im Hals der limitierten Kunstwerke und verhilft ihrer Schöpferin FRIEDLAENDER zu einem Comeback.

Porträt: Trevor Good