Possible Layers of a photograph (Robert Capa)
2016Augenblicke des Todes
von Antje Lechleiter
Im Jahr 1763 gründete Friedrich der Große die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin, kurz KPM. Die Marke mit dem kobaltblauen Zepter steht seither für handgefertigtes, exklusives Porzellan. Dem 2014 von Mitgliedern der Terrororganisation IS abgetrennten Kopf des US-amerikanischen Journalisten James Foley unter dem Siegel der traditionsreichen Porzellanmarke zu begegnen, war nicht zu erwarten, ist aber eingetreten: Rona Kobel, die 1982 in Freiburg geboren wurde und an der Universität der Künste in Berlin studierte, präsentiert die schrecklichen Bilder, die wir alle aus den Medien kennen, in glänzendem, unschuldig weißen KPM-Porzellan.
Zu Gast ist die in Berlin lebende Künstlerin derzeit im kleinen Pförtnerhaus der Ganter Brauerei in der Freiburger Fabrikstraße. Zwei dieser Porzellanarbeiten sind hier allerdings nur eine Zugabe, denn den Ausgangspunkt ihres Ausstellungskonzeptes bildete der Schuss, der vor Jahren die geschwungene Scheibe des Häuschens glatt durchschlagen und ein kreisrundes Loch hinterlassen hat.
Rona Kobel wollte mehr über den Tathergang wissen und befragte die Polizei, die auf eine Schießerei unter albanischen Flüchtlingen verwies, die am Heiligabend 1991 stattgefunden haben soll. In der Ausstellung hängt die Ausgabe der Badischen Zeitung vom 27. Dezember 1991, welche ausführlich über das Ereignis berichtet. Ein kleines Foto zeigt die Künstlerin selbst am Tattag, wie sie mit ihrer Querflöte unter dem Weihnachtsbaum steht.
Der eindringlichste Moment findet aber nicht in, sondern vor der Ausstellung statt. Blickt man in Schussrichtung von außen durch die Scheibe des Pförtnerhäuschens, dann steht man genau vor der großformatigen Aufnahme eines nach hinten stürzenden Mannes. Jene bezieht sich wiederum auf ein Bild, das sich dem kollektiven Gedächtnis eingeschrieben hat. Im spanischen Bürgerkrieg fotografierte Robert Capa 1936 einen stürzenden Soldaten im Augenblick seines Todes. Kobel stellte die Szene nach und erweiterte sie um vier Männer, die den Fallenden mit dem Handy ins Visier nehmen. Ein starker Moment, der den Prozess des Fotoschießens reflektiert.
Badische Zeitung, 21. Oktober 2016
Fotos: Jürgen Rösch